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I. Komplex: Die Grundprinzipien des Kommunismus

1. Kapitel: Das grundlegende Ziel des Kommunismus

a) Das Grundwirkungsprinzip des Kommunismus

Menschen haben eine Vielzahl von Wertvorstellungen, an denen sie die Dinge messen, mit denen sie in ihrem Leben zu tun haben. Auch die Art des Zusammenlebens der Menschen kann nach den unterschiedlichsten Kriterien beurteilt werden. So lassen sich eine Vielzahl von Gesellschaftstypen unterscheiden, indem bestimmte Eigenschaften einer Gesellschaft eingeschätzt werden, die die Menschen als Maßstab ihrer Wertschätzung ansehen, während andere zuerst einmal außer Acht gelassen werden. Erst eine genaue Analyse der menschlichen Geschichte und eine genaue theoretische Ableitung der gesellschaftlichen Möglichkeiten zeigt, daß es eine Wertvorstellung gibt, auf deren Basis eine umfassende Einschätzung jeder menschlichen Gesellschaft möglich ist. Es gibt eine Eigenschaft, die jede Gesellschaft so umfassend und tiefgreifend prägt, dass alle weiteren Eigenschaften entweder direkt daraus folgen oder nur verschiedene mögliche Formen ihrer Realisierung darstellen. Diese Eigenschaft ist die grundlegende Frage, ob eine Gesellschaft auf Ausbeutung von Menschen durch Menschen beruht oder nicht. Die Ausnutzung eines Menschen zur Realisierung privater Ziele, ohne dessen zwang- und manipulationsfrei, in voller Kenntnis der Ursachen, Gründe, Umstände und Folgen gegebenes Einverständnis, wird Ausbeutung genannt.
Die Frage der Ausbeutung ist in der Politik die Frage, ob die Menschen über sich und ihre Angelegenheiten selbst entscheiden, oder der Entscheidung anderer Menschen durch verschiedene Arten des Zwanges oder der Manipulation unterliegen und politisch ausgenutzt werden. Eine ausbeutungsfreie Entscheidung liegt auch dann vor, wenn sie der Einsicht in eine Notwendigkeit entspringt. Daher bedeutet Unterordnung nicht unbedingt auch Ausbeutung. Einen Rat von einem Klügeren anzunehmen, bedeutet natürlich nicht, sich ausbeuten zu lassen, sondern bewusste Entscheidung für die Vernunft.
Die Frage der Ausbeutung ist in der Ökonomie die Frage, ob die Menschen über das Ergebnis ihrer Arbeit so verfügen können, wie sie es für richtig halten, oder ob sich einzelne Menschen die Verfügungsgewalt über die Arbeitsergebnisse anderer Menschen aneignen, ohne dafür deren wirklich gründlich durchdachtes und zwangfreies Einverständnis erhalten zu haben. Eine ausbeutungsfreie Verfügung über Arbeitsergebnisse liegt auch dann vor, wenn eine Aneignung durch andere Menschen nicht irgendwie erschwindelt oder erpresst wird, sondern durch freiwillige und bewusste Übergabe erfolgt. Daher bedeutet Aneignung nicht unbedingt auch Ausbeutung. Natürlich beuten Kinder, Behinderte oder Alte niemanden aus, obwohl sie sich Arbeitsergebnisse anderer aneignen, sondern sie genießen die Solidarität der Gemeinschaft.
Das große Kriterium, ob Ausbeutung stattfindet oder nicht, ist also, ob die betroffenen Menschen mit dem wirklich einverstanden sind, was mit ihnen geschieht. Dazu müssen sie nicht nur einfach ihr Einverständnis gegeben haben, sondern sie müssen auch wissen, welche Folgen sie damit noch zusätzlich zu den offensichtlichen akzeptieren müssen, und sie müssen auch die weiteren Alternativen kennen, die außerdem noch denkbar sind. Sobald Menschen auf die Entscheidung anderer Menschen durch Zwang oder durch Manipulation, also Betrug, Einfluss nehmen, beuten sie diese Menschen aus. Dabei ist es unerheblich, ob der Zwang direkt durch mehr oder weniger offene Gewalt oder indirekt durch Drohung mit Entzug des zum Leben mehr oder weniger Notwendigen erfolgt. Und es ist ebenso unerheblich, ob sich der Betrug nur auf eine Einzelaktion bezieht oder ob ein Mensch total desorientiert wird und ihm fremde Wertvorstellungen eingeredet werden. Zwang und Manipulation sind nur möglich, wenn einzelne Menschen über Zwangs- und Manipulationsmittel, also über Machtmittel verfügen. Das sind Mittel, die es ihnen erlauben, in irgendeiner Form Macht über andere Menschen ausüben zu können. Die Frage der Ausbeutung in einer Gesellschaft ist also die, ob diese Gesellschaft Machtausübung möglich macht oder nicht.
Kommunisten haben erkannt, dass die Frage der Ausbeutung die grundlegende Frage jeder Gesellschaft ist. Da Kommunisten vernünftig genug sind, Tatsachen anzuerkennen, haben sie diese grundlegende Frage auch zu ihrer grundlegenden Quelle gemacht, aus der sie ihre Ansprüche an die Gesellschaft, ihr grundlegendes gesellschaftliches Ziel ableiten.
Aus der Beantwortung der Frage, ob Ausbeutung oder nicht, ergeben sich ganz spezielle Schlussfolgerungen. Je nachdem, welche Schlussfolgerungen ein Mensch mehr akzeptiert und welche er mehr ablehnt, muss er sich letztlich für eine der beiden Antwortmöglichkeiten entscheiden, auch wenn er nicht vollständig mit allen Folgen zufrieden ist. Da Kommunisten vernünftig genug sind anzuerkennen, dass bestimmte Wünsche nur erfüllt werden können, wenn bestimmte, nicht unmittelbar erwünschte Notwendigkeiten in Kauf genommen werden, haben sie sich für eine Seite entschieden.
Eine genaue wissenschaftliche Analyse zeigt, dass nur eine der beiden Seiten letztlich eine historische Perspektive hat. Nur eine der beiden möglichen Antworten ist frei in den zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten. Die andere führt irgendwann und unter mehr oder weniger harten Umständen zu ihrer eigenen Zerstörung. Da Kommunisten vernünftig genug sind zu erkennen, dass ihr Leben und ihr Handeln nur dann einen historischen Sinn bekommt, wenn ihre Auffassungen eine historische Perspektive haben, haben sie sich für diese Seite entschieden.

Das Ziel des Kommunismus ist die vollständige und dauerhafte Negation der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen.

Das ist das Grundwirkungsprinzip des Kommunismus. Es beschreibt den Ausgangspunkt aller Überlegungen, aller Wertvorstellungen und aller Methoden, die den Kommunismus charakterisieren. Dieses Prinzip trennt die Kommunisten nicht von allen anderen Menschen, es verbindet sie mit einem großen Teil der Menschheit. Denn der Ausgangspunkt des Kommunismus ist der Wunsch aller Humanisten, aller Menschen, die einfach nur in Frieden und Freiheit leben und anderen nichts Böses wollen.

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b) Die Notwendigkeit der Theorie der kommunistischen Gesellschaft

Nachdem das Ziel des Kommunismus geklärt ist, kann der Weg gefunden werden, auf dem dieses Ziel, eine kommunistische Gesellschaft, zu erreichen ist. Dazu muss ebenfalls geklärt werden, ob sich die menschliche Gesellschaft von selbst diesem Ziel nähert, oder ob etwas und was dafür getan werden muss. Die durch das Ziel des Kommunismus charakterisierte kommunistische Gesellschaft muss dazu möglichst exakt beschrieben, ihre Strukturen und Mechanismen müssen gefunden werden. Verlässliche Aussagen über die Möglichkeit der kommunistischen Gesellschaft und darüber, was dazu getan werden muss, lassen sich nicht durch Vermutungen und Träume gewinnen. Nur eine wissenschaftliche Analyse, ein logisch exaktes Durchdenken des Problems kann Antworten geben. Die wissenschaftliche Beschreibung eines exakt charakterisierten Objektes durch logische Ableitung seiner Eigenschaften aus seiner Charakteristik mit Hilfe von genau bestimmten Voraussetzungen wird Theorie genannt.
Die Theorie der kommunistischen Gesellschaft zeigt, ob es tatsächlich möglich ist, gesellschaftliche Strukturen und Mechanismen zu schaffen, die die Ausbeutung ausschließen, und sie zeigt auch, ob es verschiedene Möglichkeiten zur Erreichung dieses Zieles gibt oder ob der Weg eindeutig bestimmt ist. Sie muss die Wirkungsrichtung gesellschaftlichen Handelns der Menschen bezüglich der Ausbeutung klären und liefert somit die Werkzeuge für die Hinarbeit zur kommunistischen Gesellschaft, also für die Abschaffung der Ausbeutung.
Bevor die Frage nach dem Weg zur Abschaffung der Ausbeutung gelöst werden kann, muss die Frage nach ihren Ursachen, Strukturen und Mechanismen gelöst werden, denn gerade diese Ursachen gilt es zu beseitigen, wenn die Ausbeutung wirksam verhindert werden soll. Den Ausgangspunkt dafür bildet die Untersuchung der gesellschaftlichen Realität, das heißt der historischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Diese Untersuchung ist nicht Teil und noch nicht einmal Voraussetzung der Theorie der kommunistischen Gesellschaft, aber sie zeigt, warum es notwendig ist, eine solche Theorie zu entwickeln, bevor die kommunistische Gesellschaft überhaupt entstehen kann.
Eine solche Untersuchung zeigt, dass die Entwicklung der Gesellschaft unabhängig vom Ort und unabhängig von kulturellen Wechselbeziehungen bestimmte, objektiv charakterisierbare Stufen durchläuft. Eine historische Entwicklungsstufe der Gesellschaft, die durch eine bestimmte grundsätzliche Art der Regelung ihrer sozialen Beziehungen charakterisiert ist, wird Gesellschaftsordnung genannt. Eine Gesellschaftsordnung umfasst einerseits die ökonomische Basis, andererseits den sozialen Überbau einer Gesellschaft. Die Gesamtheit aller ökonomischen Beziehungen, aller ökonomischen Strukturen und Mechanismen, die in einer Gesellschaft bestehen, wird ökonomische Basis genannt. Die Gesamtheit der gesellschaftlichen Anschauungen und Institutionen, die in einer Gesellschaft bestehen, wird sozialer Überbau genannt. Die Untersuchung der Wechselbeziehungen von Basis und Überbau in der Geschichte der Menschheit zeigt, dass die ökonomische Basis den grundsätzlichen Charakter einer Gesellschaft bestimmt, da sie den Rahmen absteckt, innerhalb dessen die Gesellschaft handeln, aber auch denken kann. Der Überbau dient dazu, die ökonomischen Verhältnisse im täglichen gesellschaftlichen Leben umzusetzen. Daher entspricht er dem ökonomischen Charakter einer Gesellschaft. Darin eingeschlossen ist auch die Möglichkeit, dass es für eine ökonomische Basis in Abhängigkeit von der jeweiligen gesellschaftlichen Situation unterschiedliche Möglichkeiten, unterschiedliche Formen des Überbaus geben kann. Die Basis bestimmt den Überbau, und nicht umgekehrt. Eine Gesellschaftsordnung ist also ein ökonomisch bestimmter Begriff, der eine Gesellschaft nach ihrer Produktionsweise charakterisiert. Der Mechanismus der Produktion, Distribution und Zirkulation materieller und ideeller Güter einer Gesellschaft, der ihr eine bestimmte Art der Konsumtion ermöglicht, wird Produktionsweise genannt. Der gesamte Kreisprozess von Produktion (Herstellung), Distribution (Verteilung), Zirkulation (Austausch) und Konsumtion (Verbrauch) materieller und ideeller Güter, die wiederum die Grundlage der Produktion bildet, wird gesellschaftlicher ökonomischer Reproduktionsprozess genannt. Die Grundlage einer Produktionsweise bilden die Produktivkräfte. Die Gesamtheit aller subjektiven und objektiven Faktoren des Produktionsprozesses werden Produktivkräfte genannt. Sie umfassen damit die Hauptproduktivkraft Mensch als Träger der Arbeitskraft, sowie die technischen Produktionsmittel, die natürlichen Ressourcen, die Wissenschaft und die Organisation. Die Produktivkräfte bilden in der Produktionsweise eine dialektische Einheit mit den Produktionsverhältnissen. Die Produktionsverhältnisse sind die Beziehungen, die die Menschen im Produktionsprozess miteinander eingehen, Eigentumsverhältnisse, die letztlich den gesamten Reproduktionsmechanismus von der Produktion bis zur Konsumtion beherrschen.
Die Ausbeutergesellschaften gehen auseinander hervor, ohne dass sich eines grundlegend verändert: wenige Mächtige herrschen über viele Machtlose, die Mehrheit der arbeitenden Menschen wird von wenigen Besitzenden ausgebeutet. Diese Gesellschaftsordnungen sind jeweils durch eine bestimmte Art der Ausbeutung, also der Produktionsverhältnisse, gekennzeichnet, die den jeweiligen technischen Entwicklungsstand der Produktivkräfte am effektivsten für die Interessen der Ausbeuter ausnutzen können. Entwickeln sich die Produktivkräfte technisch weiter, so geraten die Produktionsverhältnisse zu den Produktivkräften in Widerspruch. Die Methoden der Ausbeutung sind nicht mehr effektiv genug, um die weiter entwickelten Produktivkräfte beherrschen zu können. Unter der Oberfläche der alten Produktionsverhältnisse bilden sich neue, zur effektiveren Ausbeutung der neuen Produktivkräfte notwendige Produktionsverhältnisse heraus, die schließlich die alten Produktionsverhältnisse verdrängen und selbst bestimmend werden. Wenn sich neue Produktionsverhältnisse entwickeln, verändern sich auch die Beziehungen der Menschen. Es entwickeln sich neue Werte und neue Bedürfnisse, das gesellschaftliche Bewusstsein verändert sich. Die Entwicklung der ökonomischen Basis nimmt also eine Veränderung des sozialen Überbaus vorweg, der Überbau muss sich schließlich den herrschenden ökonomischen Verhältnissen anpassen, egal ob friedlich oder mit Gewalt. Das gesellschaftliche Bewusstsein wird vom gesellschaftlichen Sein bestimmt.
Gegenüber den Ausbeutergesellschaften stellt die kommunistische Gesellschaftsordnung eine völlig neue Qualität dar. Da sie keine Ausbeutergesellschaft ist, kann sie sich folglich auch nicht als bessere Ausbeutungsvariante zur Beherrschung neuer Produktivkräfte unter der Oberfläche alter Ausbeutungsproduktionsverhältnisse entwickeln. Zwar bilden sich die Voraussetzungen zum Sturz der Ausbeutergesellschaft in dieser heraus, aber diese Voraussetzungen müssen bewusst ausgenutzt werden. Im Kapitalismus, der bisher höchsten Stufe der Ausbeutergesellschaft, entsteht keine neue Produktionsweise, an die der soziale Überbau nur noch angeglichen werden muss, um den Kommunismus zu erhalten. Die neue kommunistische Produktionsweise muss vielmehr ganz bewusst gestaltet, Schritt für Schritt aufgebaut werden. Dabei muss also der gesellschaftliche Überbau im Vorlauf geändert werden, um eine Veränderung der Basis überhaupt erst zu ermöglichen. Das ist ohne einen gewissen theoretischen Vorlauf aber völlig unmöglich, denn um etwas tun zu können, muss man zuerst wissen, was man eigentlich tun will. Und man muss es nicht nur selbst wissen, sondern auch erklären können, wenn man andere Menschen von der Richtigkeit und Realisierbarkeit des gewählten Weges überzeugen möchte. Genau dazu dient das Programm einer kommunistischen Partei.

Das Programm der Kommunistischen Programmpartei ist die Theorie der kommunistischen Gesellschaft.

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c) Die Anforderungen an die Theorie der kommunistischen Gesellschaft

Eine wissenschaftliche Theorie muss bestimmten Anforderungen genügen, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können. Welche Anforderungen das sind, hängt teilweise von der Art der Theorie ab.
Die grundlegende Anforderung an eine exakte wissenschaftliche Theorie ist ihre Geschlossenheit. Sie muss einen klar bezeichneten Ausgangspunkt besitzen, ein exakt formuliertes System von Grundprinzipien, das ihr Objekt genauestens charakterisiert. Es muss ausgeschlossen werden, dass noch weitere, unbekannte Grundprinzipien existieren, da dann aus den bekannten Grundprinzipien keine wirklich sicheren Aussagen über das Objekt abgeleitet werden können. Aus den Grundprinzipien müssen alle weiteren Eigenschaften des Objektes ableitbar sein.
Dazu dürfen allerdings neben den Grundprinzipien des Objektes auch weitere, externe Voraussetzungen verwendet werden, die von außerhalb der Theorie kommen und nicht selbst Gegenstand der Theorie sind. Sowohl Objekt als auch Subjekt einer Theorie, also der Mensch, der die Theorie aufstellt oder bewertet, existieren unter bestimmten äußeren Bedingungen, die von beiden nicht verändert werden können, also unabhängig von ihnen bestehen. Diejenigen dieser äußeren Bedingungen, die relevante Einflüsse auf das Verhalten des Objektes und das Verfahren der Ableitung der Theorie ausüben, müssen bei der Aufstellung einer Theorie vorausgesetzt werden, obwohl sie nicht zur Charakteristik des Objektes gehören.
Auch diese Voraussetzungen müssen exakt festgestellt werden, um zusätzliche, unbekannte Einflüsse auszuschließen, die wiederum die Sicherheit der Aussagen über das Objekt stören würden. Allerdings muss eine Theorie die Gültigkeit ihrer Voraussetzungen nicht selbst nachweisen. Das ist Aufgabe anderer Theorien, die eben diese Voraussetzungen als ihre Objekte beschreiben. Geschlossenheit einer Theorie heißt also, dass die Gesamtheit der Grundprinzipien und Voraussetzungen alle Einflüsse enthalten muss, die für das Objekt und seine Beschreibung relevant sind.
Die Theorie der kommunistischen Gesellschaft ist eine intensionelle Theorie. Das bedeutet, dass ihr Grundprinzip, ihr Ausgangspunkt, das Ziel eines Handelnden ist, nämlich der Kommunisten. Aus diesem Ziel sollen Handlungsvorschriften abgeleitet werden, die bei konsequenter Anwendung zur erfolgreichen Realisierung dieses Zieles führen. Eine intensionelle Theorie soll also kein existierendes Objekt beschreiben, sondern ein neues Objekt schaffen. Im Gegensatz dazu geht eine extensionelle Theorie von einer Annahme über ein existierendes Objekt aus, aus der dann alle seine beobachtbaren Eigenschaften folgen müssen. Die Unterscheidung zwischen intensionellen und extensionellen Theorien ist wichtig bei der Frage, wann eine Theorie hinreichend korrekt, zutreffend und wahr ist. Eine intensionelle Theorie muss alle diese Eigenschaften besitzen, wenn sie überhaupt eine Chance haben soll, nutzbringend angewandt werden zu können.
Korrekt wird eine Theorie immer dann genannt, wenn sie keine logischen Fehler in den Ableitungen aufweist, also konsistent ist, und wenn sie außerdem eindeutig und vollständig ist.
Konsistenz bedeutet, dass eine Theorie keine logischen Widersprüche enthalten darf. Logische Widersprüche zeigen immer, dass irgendwo in den Betrachtungen logische Denkfehler vorhanden sein müssen. Logische Fehler unterbrechen die logische Schlusskette und sorgen dafür, dass darauf folgende Ergebnisse keine Beziehung mehr zu den Grundprinzipien haben.
Eindeutigkeit bedeutet, dass eine Theorie nur exakte Schlussfolgerungen enthalten darf. Das sind Aussagen, die sich aus den Grundprinzipien und den bereits daraus eindeutig abgeleiteten Aussagen mittels der Voraussetzungen durch logisch eindeutige Ableitung ergeben. Werden statt exakter Schlüsse nur Vermutungen verwendet, dann handelt es sich nicht um eine Theorie, sondern um eine Hypothese. Eine Hypothese ist kein sicheres Wissen, so gut begründet und so plausibel sie auch erscheinen mag.
Die Forderung der Vollständigkeit bedeutet, dass alle Möglichkeiten bei der Untersuchung der Erscheinungsformen und Verhaltensweisen des Objektes der Theorie berücksichtigt werden müssen. Geschieht das nicht, dann besteht die Möglichkeit, dass sich das Objekt auch ganz anders verhält, ganz andere Eigenschaften zeigt, als die Theorie ergibt. Eine unvollständige Theorie kann ihr Objekt also nicht korrekt beschreiben. Bei jedem Schritt der logischen Ableitung muss also eine vollständige Fallunterscheidung getroffen werden, und jeder Fall muss berücksichtigt werden.
Zutreffend wird eine Theorie immer dann genannt, wenn sie mit der beobachtbaren Realität übereinstimmt. Damit eine Theorie zutreffend ist, müssen zuerst ihre Voraussetzungen wahr sein. Sind diese falsch, trifft die Theorie bereits damit nicht mehr auf die wahren Verhältnisse zu. Für eine extensionelle Theorie müssen außerdem alle theoretisch vorhergesagten mit den praktisch zu beobachtenden Eigenschaften des Objektes übereinstimmen. Das Objekt einer intensionellen Theorie existiert aber noch gar nicht. Im Gegensatz zu einer extensionellen ist eine intensionelle Theorie daher nur dann zutreffend, wenn ihre Grundprinzipien das wahre Ziel des Handelnden sind. Für die Theorie der kommunistischen Gesellschaft bedeutet dies, dass die von ihr beschriebene Gesellschaft nur das Ziel derjenigen Menschen ist, die wirklich die Ausbeutung abschaffen wollen, also nur die konsequenten Kommunisten. Nur für diese ist die Theorie der kommunistischen Gesellschaft zutreffend.
Wahr wird eine Theorie genannt, wenn ihr Grundprinzip wahr ist und wenn sie korrekt ist. Sind ihre Randbedingungen wahr und enthält sie auch keine inneren Fehler, so müssen folglich auch ihre Ergebnisse wahr sein.
Ob eine extensionelle Theorie wahr ist, lässt sich nur bestimmen, wenn sie nicht nur eindeutig, sondern sogar eineindeutig ist. Denn die Wahrheit ihrer Grundprinzipien kann nur nachgewiesen werden, wenn die beobachtbaren Eigenschaften ihres Objektes nicht nur eindeutig aus ihren Grundprinzipien folgen, sondern sich die Grundprinzipien umgekehrt auch eindeutig aus den Eigenschaften rückschließen lassen. Ansonsten kann es auch Zufall sein, dass falsche Grundprinzipien wahre Schlussfolgerungen liefern. Damit eine extensionelle Theorie wahr ist, reicht es also nicht aus, dass sie korrekt und zutreffend ist.
Eine intensionelle Theorie ist dagegen immer wahr, sobald sie korrekt und zutreffend ist. Denn wenn sie zutrifft, sind auch ihre Grundprinzipien wahr, beschreiben das wirkliche Ziel des Handelnden. Und wenn sie korrekt ist, enthält sie keine inneren Fehler. Ihr Ergebnis ist dann tatsächlich der wahre Weg zur Erreichung des Zieles des Handelnden.
Wenn es also gelingt, eine wahre Theorie der kommunistischen Gesellschaft aufzustellen, dann ist es möglich, daran abzulesen, wer Kommunist ist und wer nicht. Kommunisten akzeptieren die Schlussfolgerungen, die sich aus der Ablehnung der Ausbeutung ergeben. Für alle anderen kommt irgendwo der Punkt, wo ihnen etwas anderes wichtiger ist und sie dafür auch Ausbeutung in Kauf nehmen, um nicht darauf verzichten zu müssen.
Doch die Wahrheit einer intensionellen Theorie reicht noch nicht aus, um sie zu einem wirksamen Werkzeug des Handelns zu machen. Dazu muss sie sich auch noch als praktikabel erweisen. Die von ihr abgeleiteten Strukturen und Mechanismen müssen also technisch realisierbar und beherrschbar sein. Theoretische Möglichkeiten, für deren Realisierung keine technischen Mittel vorhanden sind oder geschaffen werden können, sind unnütz.
Unabhängig von den Eigenschaften, die jede intensionelle Theorie besitzen muss, benötigt die Theorie der kommunistischen Gesellschaft noch eine letzte Eigenschaft, um einen Weg zu einer neuen Gesellschaft zu zeigen, die bewusst und geplant aufgebaut werden soll. Dazu muss sie umfassend sein, also Aussagen zu wirklich allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens liefern können. Sie muss diese Aussagen nicht bereits ausdrücklich enthalten und kann es wegen der unendlichen Vielzahl gesellschaftlicher Vorgänge auch gar nicht. Aber sie muss die Möglichkeit enthalten, solche Aussagen aus ihr zu gewinnen, wann immer sich neue Fragen stellen.

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d) Die Struktur der Theorie der kommunistischen Gesellschaft

Den wissenschaftlichen Betrachtungen der kommunistischen Gesellschaft selbst muss zuerst die Feststellung der dazu benötigten Voraussetzungen vorangestellt werden. Diese Voraussetzungen sind ein wissenschaftliches Definitionssystem und eine Anzahl notwendiger Annahmen, die es überhaupt erst erlauben, logische Schlüsse über gesellschaftliche Vorgänge zu ziehen. Benötigt werden Grundannahmen über die allgemeinsten Eigenschaften der Welt, des menschlichen Bewusstseins und der Gesellschaft. Die Theorie der kommunistischen Gesellschaft enthält keine Beweise dieser Annahmen. Dies ist Thema anderer Theorien. Sie enthält aber Begründungen, warum und wozu diese Annahmen getroffen wurden.
Als intensionelle Theorie geht die Theorie der kommunistischen Gesellschaft von der Proklamation eines Handlungszieles aus. Der Kommunismus hat nur ein grundlegendes Ziel. Sein Ziel ist im kommunistischen Grundwirkungsprinzip formuliert. Dieses Prinzip definiert also die kommunistische Gesellschaft als diejenige Gesellschaft, in der das Ziel des Kommunismus verwirklicht ist. In ihr sollen die gesellschaftlichen Strukturen und Mechanismen eine solche Wirkung auf das individuelle und gesellschaftliche Leben der Menschen ausüben, dass diese in ihrem Handeln dieses Ziel verwirklichen. Da gesellschaftliche Ziele der kommunistischen Gesellschaft die geforderte Wirkungsrichtung der kommunistischen Gesellschaftsstrukturen und -mechanismen bezeichnen, werden ihre Formulierungen Wirkungsprinzipien genannt.
Aus dem kommunistischen Grundwirkungsprinzip werden die wesentlichsten gesellschaftlichen Strukturen und Mechanismen abgeleitet, mit deren Hilfe es möglich ist, das von ihm genannte Ziel zu erreichen. Diese wesentlichsten Handlungsmittel lassen sich in zwei Grundfunktionsprinzipien der kommunistischen Gesellschaft formulieren. Diese Prinzipien beschreiben die wesentlichsten Elemente des gesellschaftlichen Funktionsmechanismus, also die angewandten gesellschaftlichen Techniken. Da gesellschaftliche Mittel und Methoden den benötigten Funktionsmechanismus zur Verwirklichung gesellschaftlicher Ziele bezeichnen, werden ihre Formulierungen Funktionsprinzipien genannt.
Aus einer Aufgabe folgen immer bestimmte Wege, die geeignet sind, diese Aufgabe zu lösen. Demgemäß folgen aus Wirkungsprinzipien immer bestimmte Funktionsprinzipien, die deren technische Realisierung darstellen.
Das kommunistische Grundwirkungsprinzip und die kommunistischen Grundfunktionsprinzipien beschreiben aber nur den höchsten Abstraktionsgrad der gesellschaftlichen Ziele, sowie Mittel und Methoden der kommunistischen Gesellschaft. Durch ihre Anwendung auf die verschiedenen Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens folgen daraus weitere Wirkungsprinzipien und Funktionsprinzipien für die einzelnen Bereiche und für die unterschiedlich tiefen Abstraktionsstufen.
Unmittelbar aus den kommunistischen Grundprinzipien folgen die Hauptprinzipien der kommunistischen Gesellschaft. Die ökonomischen Hauptprinzipien beschreiben die wesentlichsten Elemente der ökonomischen Basis, die politischen Hauptprinzipien beschreiben die wesentlichsten Elemente des sozialen Überbaus der kommunistischen Gesellschaft. Sie nennen also die ökonomischen und politischen Ziele der kommunistischen Gesellschaft und die Mittel und Methoden zu deren praktischer Umsetzung.
Aus den Hauptprinzipien werden dann konkrete Einzelprinzipien, getrennt in Wirkungsprinzipien und Funktionsprinzipien, abgeleitet, die die verschiedenen Bereiche der kommunistischen Gesellschaft im Einzelnen beschreiben und ein relativ vollständiges Bild der kommunistischen Gesellschaft liefern. Dass es möglich ist, solche teilweise sehr konkreten Prinzipien abzuleiten, beweist, dass das kommunistische Grundwirkungsprinzip tatsächlich geeignet ist, eine Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu bewerten beziehungsweise zu bestimmen.
Im System der Hauptprinzipien und Prinzipien lassen sich Relationen erkennen, die durch die Anwendung dieser Prinzipien innerhalb der kommunistischen Gesellschaft und nach außen geknüpft werden. Es lassen sich vier Hauptrelationen finden, die die Beziehungen zwischen der kommunistischen Gesellschaft einerseits und den in ihr lebenden Menschen und sozialen Gruppen, der natürlichen Umwelt und anderen bestehenden Gesellschaften bezeichnen. Diese Hauptrelationen drücken sich in unterschiedlicher Form in konkreten Einzelrelationen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aus.
Die gesellschaftlichen Relationen bilden ein System aus Rechten und Pflichten, das die kommunistische Gesellschaft prägt. Das System der Funktionsprinzipien, die durch diese Relationen untereinander verknüpft sind, bildet den gesamten Funktionsmechanismus der kommunistischen Gesellschaft, also ihre technische Realisation. Diese Funktionsprinzipien müssen so gestaltet sein, dass sie im Ergebnis ihrer Wirkung auf die kommunistische Gesellschaft selbst immer wieder neu entstehen. Der Mechanismus muss sich selbst am Leben erhalten, gegebenenfalls sogar selbst reparieren. Demgegenüber bildet das System der Wirkungsprinzipien den gesamten Komplex der kommunistischen Wertvorstellungen, deren Realisierung Ziel der kommunistischen Gesellschaft ist und die damit der Maßstab sind, an dem sie sich selbst misst. Insofern sie erfüllt sind, insoweit ist eine Gesellschaft kommunistisch. Der Mechanismus kann theoretisch aus den Zielen abgeleitet werden. Andererseits müssen aber die Ziele wieder praktisch aus der Wirkung des Mechanismus folgen.
Die Schaffung der kommunistischen Gesellschaft ist ein bewusster Prozess des Ersatzes der Elemente der vorher herrschenden Ausbeutergesellschaft durch kommunistische Elemente. Dieser Prozess durchläuft verschiedene Etappen, die sich in vier Hauptetappen einteilen lassen, die die wesentlichen Entwicklungsstufen und die möglichen Varianten bei der Schaffung der kommunistischen Gesellschaft beschreiben. Die Theorie der kommunistischen Gesellschaft enthält aber nur eine Auflistung und Klassifizierung dieser Hauptetappen, womit eine Verbindung zur Revolutionstheorie hergestellt wird. Sie untersucht nicht die einzelnen Mechanismen und Formen dieses Gesellschaftswechsels. Die Revolutionstheorie ist nicht unmittelbar Teil der Theorie der kommunistischen Gesellschaft.
Ebensowenig ist die Theorie der Ausbeutergesellschaft Teil der Theorie der kommunistischen Gesellschaft. Sie untersucht nicht selbst die einzelnen Mechanismen und Formen der Ausbeutergesellschaft. Aber sie enthält Vergleiche zwischen kommunistischer und Ausbeutergesellschaft, sowie Ableitungen aus Erkenntnissen über die Ausbeutergesellschaft, womit die Verbindung zur Theorie der Ausbeutergesellschaft hergestellt wird.

 

 

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